Queen Victoria: Die Großmutter Europas (I)

Die unglückliche Kindheit von Queen Victoria

Queen Vic­to­ria (1819 – 1901) drück­te dem 19. Jahr­hun­dert ihren Stem­pel auf. Sie bestimm­te als „Groß­mutter Euro­pas“ auch die Geschich­te des 20. Jahr­hun­derts.

Ihr Leben fing mehr als beschei­den an, als Not­lö­sung für die ver­stor­be­ne Thron­er­bin, vater­los und mit einer Mut­ter, die sie als eine Art Faust­pfand für die eige­ne Zukunft betrachtet. 

Eine seltsame Familie

Es ist eine selt­sa­me Fami­lie, in die Alex­an­dri­na Vic­to­ria am 24. Mai 1819 als Toch­ter von Edward, Duke of Kent and Stra­thearn, und sei­ner deut­schen Frau Vic­toire von Sach­sen-Coburg-Saal­feld hin­ein­ge­bo­ren wird.

Man könn­te auch sagen: son­der­bar und hoff­nungs­los überaltert.

Ihr Groß­va­ter, König Geor­ge III. lei­det an einer Erb­krank­heit und ist geis­tig völ­lig umnach­tet, als er ein Jahr nach ihrer Geburt, 1820, stirbt.

Die Regie­rungs­ge­schäf­te führt des­halb schon seit vie­len Jah­ren Vic­to­ri­as Onkel, Prinz­re­gent Geor­ge, der nach dem Tod sei­nes Vaters als König Geor­ge IV. den Thron besteigt.

Die­ser Geor­ge — in sei­ner Jugend wegen sei­ner Lei­bes­fül­le auch als Prin­ce of Wha­les (Prinz der Wale) bezeich­net — ist vor allem mit sich selbst, sei­nen zahl­rei­chen Affä­ren und dem Bau­en schö­ner Gebäu­de, Parks und Plät­ze beschäftigt.

Soweit ihn sein enger Ter­min­plan Zeit lässt, ver­sucht er, sich von sei­ner deut­schen Frau Caro­li­ne von Braun­schweig schei­den zu lassen. 

Die­se Schei­dung zieht sich hin, berei­tet ihm viel Unge­mach und macht aus ihm einen noch ärger­li­che­ren Mann als er schon ist. Sei­ne bri­ti­schen Unter­ta­nen bringt er bis an den Rand eines Volksaufstandes. 

Der Tod der Thronfolgerin

Die arran­gier­te Ehe zwi­schen Geor­ge und sei­ner Braut Caro­li­ne von Braun­schweig stand unter kei­nem glück­li­chen Stern. Es war Anti­pa­thie auf den ers­ten Blick, als sich das Braut­paar weni­ge Tage vor ihrer Hoch­zeit das ers­te Mal per­sön­lich kennenlernt. 

Unge­ach­tet ihrer tie­fen gegen­sei­ti­gen Abnei­gung hat­ten sie es zu einer gemein­sa­men Toch­ter und Thron­er­bin gebracht, Kron­prin­zes­sin Char­lot­te Augus­te.

Das Ver­hält­nis zwi­schen dem Prinz­re­gen­ten und sei­ner deut­schen Gat­tin gleicht einem Infer­no, als die bei­den 1817 von einem fürch­ter­li­chen Schick­sal­schlag getrof­fen wer­den: ihr ein­zi­ges Kind, die Kron­prin­zes­sin und Hoff­nungs­trä­ge­rin der Bri­ten, stirbt einen qual­vol­len Tod im Wochenbett. 

Der frü­he Tod der Thron­er­bin war der sehr trau­ri­ge Aus­gang einer glück­li­chen Geschich­te, denn im Gegen­satz zur arran­gier­ten Ehe ihrer Eltern war ihre Hoch­zeit mit Prinz Leo­pold von Sach­sen-Coburg, dem spä­te­ren König Leo­pold I. von Bel­gi­en, eine Liebesheirat.

Kaum ein Jahr nach ihrer Traum­hoch­zeit erwar­tet Kron­prin­zes­sin Char­lot­te ihr ers­tes gemein­sa­mes Kind — und stirbt, zusam­men mit ihrem klei­nen Sohn, bei der Niederkunft. 

Ein Schick­sal, das sie mit vie­len Müt­tern jener Zeit teilt, denn die Geburts­hil­fe steckt wie seit Jahr­hun­der­ten üblich immer noch in den Kinderschuhen.

Keine Hilfe bei schweren Geburten

Zu Beginn des 19. Jahr­hun­derts kennt man seit kur­zer Zeit die Geburts­zan­ge, seit Jahr­hun­der­ten die ers­te Erfin­dung, mit der man bei einer Geburt das Leben von Müt­tern und Babys ret­ten konn­te.

Erfun­den hat­te die Zan­ge ein aus Frank­reich nach Eng­land emi­grier­ter huge­not­ti­sche Chir­urg namens Peter Cam­ber­len bereits im 17. Jahr­hun­dert. Sein Wis­sen wen­de­te Cam­ber­len aller­dings — ver­mut­lich aus Angst vor Repres­sio­nen — nur bei sei­nen eige­nen Pati­en­tin­nen an. 

Auch sei­ne Nach­fol­ger hiel­ten sei­ne Erfin­dung geheim und führ­ten Zan­gen­ge­bur­ten nur in der eige­nen Pra­xis durch. Eine bekla­gens­wer­te Tra­di­ti­on, die ver­mut­lich Tau­sen­den von Frau­en und Babys das Leben kostete. 

Die Zan­ge hat­te Risi­ken, wenn sie – nicht ste­ri­li­siert – tief in den emp­find­li­chen Geburts­ka­nal ein­ge­führt wur­de, um das Kind her­aus­zu­zie­hen; aber rich­tig und mit Sorg­falt ange­wandt, ret­te­te sie das Leben unzäh­li­ger Müt­ter und Kinder.

Statt der vie­len Leben, die durch die Geburts­zan­ge geret­tet wur­den, waren jedoch haupt­säch­lich Berich­te über Todes­fäl­le im Umlauf (die Geburts­zan­ge wur­de nun mal nur bei schwe­ren Gebur­ten ein­ge­setzt, bei denen sowie­so schon alles auf der Kip­pe stand). 

Bei vie­len galt die Zan­gen­ge­burt als zu riskant.

Bei schwe­ren Gebur­ten wur­den die wer­den­den Müt­ter daher wei­ter­hin lie­ber mit jahr­hun­der­te­al­ten Haus­mit­teln trak­tiert, mit denen man ihnen oft den letz­ten Lebens­nerv raub­te: Man ließ die Gebä­ren­den zur Ader bis sie ohn­mäch­tig wur­den (was als Erfolg ver­bucht wur­de) oder wickel­te sie in kochend hei­ße Breiumschläge. 

Kurz – man tat alles, um eine schwie­ri­ge Geburt noch unver­träg­li­cher mit dem Leben zu machen.

Eine Steiß­la­ge oder ein gro­ßes Baby bedeu­te­ten oft den Tod von Mut­ter und Kind. 

Thron­er­bin Char­lot­te und ihr klei­ner Sohn star­ben völ­lig erschöpft nach über 50 Stun­den erfolg­lo­ser Wehen, denn ihr behan­deln­der Arzt, Sir Richard Croft, hat­te den Ein­satz der Geburts­zan­ge nicht erlaubt.

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Zwei Blitzhochzeiten und die Rettung der Dynastie

Mit dem Tod der Thron­er­bin stand es in Groß­bri­tan­ni­en plötz­lich dra­ma­tisch schlecht um das dynas­ti­sche Bestehen der Königs­fa­mi­lie.
Ver­zwei­felt mach­te man sich auf die Suche nach einem neu­en Thron­fol­ger, denn Prinz­re­gent Geor­ge hat kei­ne wei­te­ren (offi­zi­el­len) Kin­der, die nach ihm den bri­ti­schen Thron hät­ten bestei­gen können.

Auch bei Geor­ges Brü­dern sah es in Sachen Nach­wuchs schlecht aus.

Sein nächst­jün­ge­rer Bru­der, Fre­de­rick, Her­zog von York und Alba­ny, war zwar ver­hei­ra­tet, hat­te aber mit Mit­te 50 zusam­men mit sei­ner Ehe­frau kei­ne leben­den Kin­der.
Außer­dem war Fre­de­rick als Ober­be­fehls­ha­ber des Hee­res den sehr unap­pe­tit­li­chen Skan­dal sei­ner Gelieb­ten ver­wi­ckelt: Ohne sein Wis­sen, aber mit sei­ner (unbe­ab­sich­tig­ten) Hil­fe, hat­te sie über Jah­re einen schwung­vol­len Han­del mit Offi­ziers­stel­len betrieben.

Die Affä­re war auf­ge­flo­gen und kam wie erwar­tet beim Volk nicht gut an. 

Fre­de­rick bekam sei­nen Pos­ten als Ober­be­fehls­ha­ber nach einer mora­li­schen ‘Aus­zeit’ zwar zurück, sei­nen Platz in der Thron­fol­ge muss­te er aller­dings räu­men (was kei­ne Aus­wir­kung hat­te, da er wenig spä­ter starb).

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Außer Fre­de­rick hat­te Prinz­re­gent Geor­ge noch zwei jün­ge­re Brü­der, wobei „jung“ rela­tiv ist — bei­de waren beim Tod der Kron­prin­zes­sin gestan­de­ne Her­ren mitt­le­ren Alters, aber immer­hin unverheiratet.

Man beginnt, für die schon etwas in die Jah­re gekom­me­nen könig­li­chen Jung­ge­sel­len fie­ber­haft und euro­pa­weit nach pas­sen­den Bräu­ten im gebär­fä­hi­gen Alter zu suchen. 

Die Braut­schau ist erfolg­reich, man wird fün­dig: In einer Dop­pel­hoch­zeit wer­den im Juli 1818 bei­de Brü­der an die jeweils pas­sen­de Ehe­frau gebracht.

Wil­liam – der spä­te­re Kurz­zeit-König Wil­helm IV.hei­ra­tet eine Prin­zes­sin Adel­heid von Sach­sen-Mei­nin­gen, sein jün­ge­rer Bru­der Edward führt die ver­wit­we­te Fürs­tin Vic­toire von Lei­nin­gen zum Altar, eine gebo­re­ne Prin­zes­sin von Sach­sen-Coburg-Saal­feld, die aus ers­ter Ehe bereits zwei Kin­der hat.

Ein Hoffnungs-Baby: Alexandrina Victoria

Kur­ze Zeit spä­ter ver­zeich­nen bei­de Blitz­hoch­zei­ten schnel­le dynas­ti­sche Erfol­ge: Bereits ein Jahr nach ihrer Hoch­zeit wer­den die frisch­ver­hei­ra­te­ten Brü­der im Alter von 53 und 52 Jah­ren zum ers­ten Mal offi­zi­ell Väter.

Doch Wil­liams und Adel­heids klei­ne Toch­ter über­lebt ihre Geburt nur kurz, eben­so eine wei­te­re Prin­zes­sin, die im dar­auf­fol­gen­den Jahr gebo­ren wird. 

Als Wil­liam 1837 als König Wil­helm IV. stirbt, hin­ter­lässt er zwar zehn unehe­li­che Kin­dern aus einer lang­jäh­ri­gen außer­ehe­li­chen Bezie­hung, aber kei­nen ein­zi­gen legi­ti­men Thron­er­ben mit sei­ner deut­schen Ehe­frau Adelheid. 

Sein jün­ge­rer Bru­der Prinz Edward, Duke of Kent, der bis zu sei­ner Hei­rat vie­le Jah­re lang mit sei­ner fran­zö­si­schen Gelieb­ten Julie in einer Art wil­den Ehe gelebt hat­te, hat mehr Erfolg. 

Sei­ne und Vic­toires klei­ne Toch­ter Alex­an­dri­na Vic­to­ria lebt.

Aller­dings kann er sein spä­tes Vater­glück nicht mehr genie­ßen, denn er stirbt ein knap­pes Jahr nach ihrer Geburt an einer Lungenentzündung. 

Queen Victorias Vater, Prince Edward, Duke of Kent, Commander-in-Chief, North America, 1791–1802 By George Dawe - Royal Collection, Public Domain
Prin­ce Edward, Duke of Kent, Com­man­der-in-Chief, North Ame­ri­ca, 1791–1802 By Geor­ge Dawe — Roy­al Coll­ec­tion, Public Domain

Das Kensington-System

Vic­to­ri­as vater­lo­se und unglück­li­che Kind­heit ent­behrt viel, vor allem aber Her­zens­wär­me und eine geeig­ne­te Aus­bil­dung zur Königin.

Die strik­te Abnei­gung, die Vic­to­ria spä­ter als jun­ge Frau und Köni­gin gegen Hei­rat und Ehe­mann hat, dürf­te ihren Ursprung im soge­nann­ten Ken­sing­ton Sys­tem gehabt haben, ein gol­de­ner Käfig, den ihre Mut­ter und deren Rat­ge­ber (man­che sagen auch: Lieb­ha­ber) John Con­roy nach dem frü­hen Tod ihres Vaters Edward etablieren.

Victoire mit ihrer Tochter Victoria, Von Henry Bone, https://www.telegraph.co.uk/culture/donotmigrate/3560626/Queen-Victoria-the-original-peoples-princess.html, Gemeinfrei
Vic­toire mit ihrer Toch­ter Vic­to­ria, Von Hen­ry Bone, Gemeinfrei

Prinz Edward hin­ter­lässt sei­ner Frau außer der klei­nen Prin­zes­sin nichts als Schul­den. Viel zu vie­le Schul­den, die dazu füh­ren, dass sie sein Erbe sogar aus­schla­gen muss. 

So sitzt sie nach sei­nem plötz­li­chen Tod allein und mit­tel­los mit der klei­nen Vic­to­ria und ihrer älte­ren Toch­ter Feodo­ra aus ers­ter Ehe im Ken­sing­ton Palace, den sie von der win­zi­gen Apa­na­ge, die man ihr als Edwards Wit­we zuge­steht, kaum unter­hal­ten kann.

Am Königs­hof wer­den die Duch­es­se und ihre Toch­ter nicht gern gesehen. 

Vic­to­ri­as dicker Onkel, 1820 end­lich vom ewi­gen Prinz­re­gen­ten zum König Geor­ge IVauf­ge­stie­gen, war gegen die Hei­rat sei­nes jün­ge­ren Bru­ders mit der Deut­schen und kann jetzt, nach dem Tod sei­nes Bru­ders, sei­nem Unmut frei­en Lauf lassen. 

Ohne Geld für ein stan­des­ge­mä­ßes Leben, ohne Bezie­hun­gen und ohne Fami­lie steht Duch­es­se Vic­toire ziem­lich ver­zwei­felt da und spielt mit dem Gedan­ken, mit der klei­nen Vic­to­ria und Feodo­ra die Heim­rei­se nach Deutsch­land anzutreten.

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Es ist Vic­toires Bru­der Leo­pold – jener Leo­pold von Sach­sen-Coburg, mit dem die ver­stor­be­ne Thron­er­bin Char­lot­te ver­hei­ra­tet war – der sie über­re­det, in Eng­land zu bleiben.

Dafür gibt es einen guten Grund: Die klei­ne Vic­to­ria ist weit und breit als ein­zi­ge Thron­er­bin der nächs­ten Gene­ra­ti­on in Sicht.

Die­ser Sta­tus soll erhal­ten blei­ben.
Wür­de Vic­toire mit ihr ins klei­ne Fürs­ten­tum Lei­nin­gen zurück­keh­ren, wäre Vic­to­ri­as Thron­an­spruch bei den Bri­ten schnell vergessen.

Im goldenen Käfig

Die Duch­es­se of Kent bleibt.
Mit ihr auch John Con­roy, Sol­dat, dubio­ser Freund des Hau­ses und Edwards Nach­lass­ver­wal­ter, der sich nach und nach zur unent­behr­li­chen Stüt­ze Vic­toires macht, nicht zuletzt weil er einen gro­ßen Teil sei­nes eige­nen Ver­mö­gens zur Haus­halts­füh­rung zuschießt.

Prinzessin Victoria im Alter von vier Jahren, 1823, von Stephen Poyntz Denning (1795–1864) - Dulwich College Picture Gallery, Gemeinfrei,
Prin­zes­sin Vic­to­ria im Alter von vier Jah­ren, 1823, von Ste­phen Poyn­tz Den­ning (1795–1864) — Dul­wich Col­lege Pic­tu­re Gal­lery, Gemeinfrei

Con­roy unter­stützt Vic­toire und ihre Kin­der ver­mut­lich weni­ger aus Zunei­gung oder purer Men­schen­freund­lich­keit, son­dern mit Hin­ter­ge­dan­ken. Genau wie Leo­pold rech­net er fest damit, dass Vic­to­ria die nächs­te bri­ti­sche Köni­gin sein wird.

Ange­sichts des maro­den All­ge­mein­zu­stands und der unge­zü­gel­ten Lebens­wei­se von König Geor­ge IV. und sei­nes letz­ten ver­blie­be­nen Bru­ders Wil­helm geht er sogar davon aus, dass die klei­ne Vic­to­ria noch vor ihrer Voll­jäh­rig­keit den bri­ti­schen Thron bestei­gen wird. 

Dann könn­ten ihre Mut­ter, die Duch­es­se of Kent,– und er – schon bald die tat­säch­li­che Regent­schaft übernehmen. 

Damit auch wirk­lich nie­mand sei­ne weit­rei­chen­den Plä­ne durch­kreu­zen kann, baut Con­roy rund um die kost­ba­re Thron­er­bin das Ken­sing­ton Sys­tem als gol­de­nen Käfig auf, eine Art eli­tä­rer Zir­kel, der Vic­to­ria von der Welt abschot­ten soll, statt sie ihr zu zeigen.

Con­roy bestimmt Gou­ver­nan­ten und Haus­leh­rer, legt ihre Spiel­ge­fähr­ten fest – Vic­to­ri­as älte­re Halb­schwes­ter Feodo­ra und sei­ne eige­ne Toch­ter – und wacht über jeden Schritt, den die Prin­zes­sin tut.

Vic­to­ri­as Leben wird immer ein­sa­mer und unglück­li­cher; ihre ein­zi­ge Freu­de ist Spa­ni­el Dash, der Hund ihrer Mutter.

Die Rache der jungen Königin

Im Jahr 1835 ist Vic­to­ria 16 Jah­re alt, König Geor­ge tot und der letz­te leben­de sei­ner Brü­der sitzt als König Wil­helm IV. auf dem bri­ti­schen Thron. 

Zwar alt und gebrech­lich, aber eisern.
Con­roy sieht ein, dass Vic­to­ria wegen der zähen Lang­le­big­keit ihres Onkels bei ihrer Thron­be­stei­gung vor­aus­sicht­lich voll­jäh­rig sein wird. 

Damit sein Traum von der Mit-Regent­schaft nicht völ­lig zer­platzt, ver­sucht er Vic­to­ria zu über­re­den, ein Doku­ment zu unter­schrei­ben, mit dem sie sich ver­pflich­ten soll, ihn zu ihrem Pri­vat­se­kre­tär zu ernen­nen, sobald sie Köni­gin ist.

Prinzessin Victoria mit Spaniel Dash, Sir George Hayter, 1833
Prin­zes­sin Vic­to­ria mit Spa­ni­el Dash, Sir Geor­ge Hay­ter, 1833, gemeinfrei

Eine unglaub­li­che Posi­ti­on für einen Mann sei­ner Her­kunft.
Doch obwohl er und Vic­to­ri­as Mut­ter Vic­toire gemein­sam mit Engels­zun­gen auf sie ein­re­den, argu­men­tie­ren und schließ­lich dro­hen, bleibt die jung Kron­prin­zes­sin stör­risch und ver­wei­gert ihre Unterschrift.

Mit allem hat­ten Con­roy und Vic­to­ri­as leicht­gläu­bi­ge Mut­ter bei ihren Plä­nen gerech­net, nur nicht mit Widerstand.

Und mit Onkel Leo­pold, der seit lan­gem Kon­takt zu sei­ner unglück­li­chen Nich­te hält.

Nach meh­re­ren Ver­su­chen geben Con­roy und Vic­toire schließ­lich ihre Über­re­dungs­be­mü­hun­gen auf und las­sen die stör­ri­sche Vic­to­ria schmoren. 

Mut­ter und Toch­ter spre­chen vie­le Jah­re kein Wort mehr mit­ein­an­der.
Nach Vic­to­ri­as Thron­be­stei­gung 1837 erhält Con­roy kein Amt am Hof — nicht ein­mal ein kleines.

Copy­right: Agen­tur für Bild­bio­gra­phien, www​.bild​bio​gra​phien​.de, 2016 (über­ar­bei­tet 2024)

Lesen Sie im nächs­ten Bei­trag: Manch­mal sind Män­ner ein­fach die bes­se­ren Müt­ter. Queen Vic­to­ri­as Onkel Leo­pold ist eine fast unbe­kann­te, aber nicht zu unter­schät­zen­de Grö­ße in der Welt­ge­schich­te, und hat auch in Sachen Hei­rats­po­li­tik eine geschick­te und ruhi­ge Hand
Die Groß­mutter Euro­pas (II): Onkel Leopold

Buch- und Hörempfehlungen:

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Eiser­ne Lady: Das Leben der jun­gen Queen Vic­to­ria mit deut­lich weni­ger Bling-Bling als bei ande­ren Ver­fil­mun­gen, dafür aber mit einem sehr genau­en Blick auf die Vor­ge­schich­te der bei­den, Alberts Schwie­rig­kei­ten, sich in sei­ner Rol­le als titel­lo­ser Ehe­mann der Köni­gin zurecht­zu­fin­den, und Vic­to­ria als Herr­sche­rin eines Welt­reichs, die gleich­zei­tig eine lie­ben­de Ehe­frau ist. Mit vie­len her­aus­ra­gen­den Schau­spie­lern in Sze­ne gesetzt — sehens­wert!
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Die bes­te Emp­feh­lung für alle, die Spaß an ‘Geschich­te durch Geschich­ten’ haben.
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Bill Bry­son, Eine kur­ze Geschich­te der all­täg­li­chen Din­ge*, Gold­mann Taschen­buch, 2013 Sehr hörens­wert ist übri­gens auch das Hör­buch, gele­sen von Rufus Beck.

Die gro­ßen Seu­chen, aber auch die Krank­hei­ten der Mäch­ti­gen
haben Geschich­te geschrie­ben. Medi­zin­his­to­ri­ker Gers­te beschreibt fak­ten­reich und span­nend die Aus­wir­kun­gen von Aids, Cho­le­ra, Pest und Syphil­lis auf die Welt­ge­schich­te, geht aber auch den Krank­hei­ten der Mäch­ti­gen von Nero bis Mit­te­rand nach.
Ein groß­ar­ti­ges Buch — sehr lesens­wert!
Roland D. Gers­te, Wie Krank­hei­ten Geschich­te machen: Von der Anti­ke bis heu­te*, Klett-Cot­ta, 2019

Die The­ra­peu­tin Dr. Sus­an For­ward
über Ursa­chen und die fata­len Fol­gen feh­len­der Mut­ter­lie­be — und über die Mög­lich­kei­ten, dem Teu­fels­kreis aus Schuld­zu­wei­sun­gen und schlech­tem Gewis­sen zu ent­kom­men.
Emp­feh­lens­wert!

Sus­an For­ward, Wenn Müt­ter nicht lie­ben: Töch­ter erken­nen und über­win­den die lebens­lan­gen Fol­gen *
Gold­mann Ver­lag, 2015

Ein Jahr vor Vic­to­ri­as Geburt kommt im fer­nen York­shire die Pfar­rers­toch­ter Emi­ly Bron­të zur Welt.
Als sie 1848 mit nur 30 Jah­ren an Tuber­ku­lo­se stirbt, hin­ter­lässt sie einen ein­zi­gen Roman. Aber was für einen! Die Amour fou zwi­schen dem Find­ling Heath­cliff und sei­ner Zieh­schwes­ter Cathe­ri­ne ist ein mit­rei­ßen­des Dra­ma über Lie­be, Hass und Rach­sucht. Auch heu­te noch ein abso­lut lesens­wer­tes Melo­dra­ma!

Emi­ly Bron­të, Sturm­hö­he*, dtv Ver­lags­ge­sell­schaft mbH & Co. KG, 2014 

Das bril­lan­te Begleit­buch
der sechs­tei­li­gen ZDF-Rei­he von Hans-Chris­ti­an Huf und Gero von Boehm, wun­der­bar und augen­zwin­kernd gespro­chen von Hape Ker­ke­ling. Uner­reicht hörens­wert!

Hans-Chris­ti­an Huf, Gero von Boehm, Unter­wegs in der Welt­ge­schich­te*, Ran­dom House Audio, 2011, März 2015

Wei­ter­füh­ren­de Beiträge:

Das Dra­ma beginnt: Der Prin­ce of Wales Geor­ge kann sei­ne Finan­zen nicht in Ord­nung hal­ten. Von sei­nem auf­wän­di­gen Lebens­stil fast rui­niert, wil­ligt er schließ­lich in einen Hei­rats­han­del mit dem Par­la­ment ein: Sei­ne Schul­den wer­den bezahlt, dafür hei­ra­tet er sei­ne Cou­si­ne Caro­li­ne von Braun­schweig. Das ein­zi­ge Pro­blem: Das Braut­paar kann sich nicht aus­ste­hen …
Sze­nen einer arran­gier­te Ehe

Das bri­ti­sche Schei­dungs­dra­ma vor Charles und Lady Di: Viel mehr als die Mode, kei­ne gepu­der­ten Perü­cken mehr zu tra­gen, die Stil­epo­che ‘Regen­cy’ und eini­ge Gebäu­de und Parks in Lon­don hat der bri­ti­sche König Geor­ge IV. nicht zustan­de gebracht. Das ist kaum ver­wun­der­lich, schließ­lich hat er sein hal­bes Leben ver­sucht, sich von Gat­tin Caro­li­ne von Braun­schweig schei­den zu las­sen. Mehr über könig­li­che Bett­la­ken und Ehe­frau­en, die man ein­fach nicht los­wird:
Pains and Pena­li­ties: Schei­dung auf britisch

Mätres­sen­wirt­schaft: Die Gelieb­te eines mäch­ti­gen Man­nes zu wer­den, war vie­le Jahr­hun­der­te lang die ein­zi­ge Mög­lich­keit für Frau­en, poli­ti­sche Macht und Ein­fluss zu bekom­men. Beson­ders gut funk­tio­nier­ten Sex und Poli­tik im Abso­lu­tis­mus, des­sen Mätres­sen­wirt­schaft die Welt­ge­schich­te maß­geb­lich beein­flusst hat. Die berühm­tes­te und ein­fluss­reichs­te „maî­tres­se en tit­re“ war die Gelieb­te des Uren­kels des Son­nen­kö­nigs, die Mar­qui­se de Pom­pa­dour.
Die Mar­qui­se de Pompadour

Die gro­ße Lie­be? Mut­ter­lie­be, wah­re Lie­be und das Schei­dungs­recht kamen in Kon­ti­nen­tal-Euro­pa als Fol­ge der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on und mit Napo­le­on in Mode. Mehr über die “neu­en” gro­ßen Gefüh­le:
Mätres­sen­wirt­schaft, Revo­lu­ti­on und die gro­ße Liebe

Kind­heit & Erzie­hung: Mit “Mut­ter­lie­be” hat­te der fran­zö­si­sche Phi­lo­soph Jean-Jac­ques Rous­se­au nichts im Sinn, als er 1762 sei­nen Roman “Emi­le oder über die Erzie­hung” ver­öf­fent­lich­te. Eigent­lich woll­te er mit sei­nem Roman ein Zei­chen gegen die abso­lu­tis­ti­sche Stän­de­ge­sell­schaft set­zen, die ihn anwi­der­te. Doch dann kommt die Fran­zö­si­sche Revo­lu­ti­on, Mut­ter­lie­be wird zum neu­en Trend und bald zum ein­zi­gen Lebens­in­halt von Frau­en.
Die Erfin­dung der Mutterliebe

Bild­nach­wei­se:

Ori­gi­nal: Queen Vic­to­ria, 1847, Ölge­mäl­de von Franz Xaver Win­ter­hal­ter — Ori­gi­nal pain­ting owned by the Roy­al Coll­ec­tion. Source of pho­to­graph unknown., Gemein­frei
Geor­ge IV (1821) by G. Atkin­son, Brigh­ton, (UK Imme­dia­te source: Samm­lung de Salis), Public Domain
Prin­ce Edward, Duke of Kent, Com­man­der-in-Chief, North Ame­ri­ca, 1791–1802 By Geor­ge Dawe — Roy­al Coll­ec­tion, Public Domain
Vic­toire mit ihrer Toch­ter Vic­to­ria, Von Hen­ry Bone, https://​www​.tele​graph​.co​.uk/​c​u​l​t​u​r​e​/​d​o​n​o​t​m​i​g​r​a​t​e​/​3​5​6​0​6​2​6​/​Q​u​e​e​n​-​V​i​c​t​o​r​i​a​-​t​h​e​-​o​r​i​g​i​n​a​l​-​p​e​o​p​l​e​s​-​p​r​i​n​c​e​s​s​.​h​tml, Gemein­frei
Prin­zes­sin Vic­to­ria im Alter von vier Jah­ren, 1823, von Ste­phen Poyn­tz Den­ning (1795–1864) — Dul­wich Col­lege Pic­tu­re Gal­lery, Gemein­frei,
Prin­zes­sin Vic­to­ria mit Spa­ni­el Dash, Sir Geor­ge Hay­ter, 1833, Von nach Geor­ge Hay­ter — First upload: Scan­ned from Hib­bert, Chris­to­pher (2000) Queen Vic­to­ria: A Per­so­nal Histo­ry, Lon­don: Har­per­Coll­ins, ISBN 0–00-638843–4, and then colour adjus­ted and repai­red for flaws. This ver­si­on is of the copy in the Bri­tish Roy­al Coll­ec­tion, Gemeinfrei 

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26880coo­kie-checkQueen Vic­to­ria: Die Groß­mutter Euro­pas (I)

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